wie mein gehirn implodierte und ich an langeweile starb…

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freitag von 11-13 habe ich mein lieblingsfach – konstruktionslehre 1. der dozent ist die magdeburger version eines heimgartenbesitzers in der schwer valiumabhängigen ausführung. die meiste zeit, wenn er aus seinem leben und über das thema der vorlesung redet, wünscht man sich nach guantanamo bay oder paris. warum? wenn er über die unfassbar aufregende welt der deutschen industrienormen doziert, tut er dies mit der verve eines gestrandeten toten wales, wenngleich er alle 45 minuten einen scherz einstreut, falls er noch restalk intus hat, zumindest legt dies seine rötliche haut nahe.

überhaupt ist sein aussehen eine komische sache: meist trägt er die in irgendeinem kombinat hergestellten braunen ledersandalen über dunkelgraue mitteldicke wollsocken, die jeans sind von levi’s und werden von einem hellbraunen ledergürtel gehalten, dessen farbe metrosexualität andeutend gut mit der seiner sandalen zusammenpasst. darüber trägt er dann langärmige hemden verschiedenster blautönungen, deren oberste 2 knöpfe stets offen sind, um blick auf seine 2 goldketten zu ermöglichen. nicht zu vergessen die um seine handgelenke, die das bild des “schigolohs”, das er mit einem verschmitzten lächeln – das er nach einem seiner beiden keksigen jokes stets parat hat – gern hervorzurufen versucht, untermalen. das alles wäre jedoch nur halb so extraordinär ohne seinen machdeburcher akzent, worte wie bemaßung (“bemohßung”) oder erst (“irst”) gewinnen dadurch erst an bedeutung und lassen jeden semantiker wie einen immigranten im “deutsch als fremdsprache”-kurs erscheinen.

und es war an einem jener freitage, an denen ich nach möglichkeiten suchte, wachzubleiben, während er in der ihm eigenen monotonie von din’s erzählte, als würde er sie erfinden während er redete und von uns das interesse, das ihm seiner meinung nach in diesem fall gebühren würde, voraussetzte. in regelmäßigen abständen konnte ich aus der reihe hinter mir ein gähnen vernehmen, das andeutete, das ich womöglich nicht allein war mit meiner extremen kopflangeweile, die ich durch das dekorieren meines blockes abzutöten versuchte. nachdem ich damit den subjektiv größten künstlerischen wert aus der verunstaltung des auf der vorderseite befindlichen bildes eines krokodiles, auf dessen kopf ein schmetterling sitzt, erzielt hatte, traf mich die langeweile erneut wie ein schuss ins gesicht. ich kam mir vor wie ein narkoleptiker, versuchte mich so angestrengt wie möglich auf die erläuterungen des dozenten zu fokussieren, hielt dies jedoch immer nur für bestenfalls 20 sekunden am stück durch und wurde dann sofort jedesmal unerklärlich müde, schaute aus dem fenster, auf meine komilitonen, meinen bemalten block, überlegte, ob ich ads habe, nur um den kreislauf wieder von vorn beginnen zu lassen. nach circa 20 minuten roch ich rauch. ich schaute umher, die um mich herum sitzenden schienen jedoch nichts dergleichen mitbekommen zu haben. plötzlich machte es “PLOPP” und mein gehirn implodierte, reste spritzten von innen gegen meine augen. ich schaffte es gerade noch, mich als gast für “vera am mittag” anzumelden bevor ich schließlich, und dies war das resultat der autopsie, an langeweile starb.

Von Silvester Klement