Die Abendschule

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In meinem Heimatdorf gab es eine kleine Abendschule, in der man Judo und Rappen lernen konnte. Mehr nicht. Okay, im Grunde war da nur ein Asiate, der gerne viel kiffte und dabei Leute verprügelte, aber weil er auch irgendwie an Geld kommen musste, nannte er seinen Hobbykeller eben Abendschule und zeigte uns Jungs so, wie man in der großen Welt überleben konnte.

Ich war schon damals größer als alle Anwesenden und für meine Omnipotenz berüchtigt, weil ich regelmäßig von den Hundebeinen in der Nachbarschaft weggezerrt werden musste, die ich mit Schaum vor dem Mund besprang und an meinem absurd gigantischen Glied rieb. Aber selbst als adonisgleicher 11-Jähriger mit Vollbart konnte man noch etwas über das Leben lernen, deshalb überredete ich meine Freunde Zeus-Elysander und Bob dazu, dass wir uns in dieser Abendschule einschreiben, um Judo und Rap zu lernen.

Der Hobbykeller des Asiaten war überraschend groß und ich erinnere mich noch, als wäre es heute gewesen, dass ich einen Text über unseren Besuch der Abendschule schrieb und wie wir in diesem das erste Mal den Hobbykeller des Asiaten betraten und von dessen Größe überrascht waren – freilich nur von der Größe des Kellers, der Asiate selbst war keine 1,90m und aufgrund dieser mickrigen Statur offensichtlich mit Komplexen beladen, zumindest deuteten das seine Gesichtstattoos an.

Zu Beginn des Judo-und-Rap-Kurses sammelte der Asiate unsere Teilnahmegebühr ein, wobei er besonderen Wert darauf legte, dass wir ausschließlich in Scheinen bezahlten, rückblickend wohl, um diese als Sushirollenwickel zu verwenden oder damit bei irgendwelchen Tickern Gras zu kaufen. Nüchtern betrachtet eher Zweiteres, aber die journalistische Sorgfaltspflicht gebietet es, dass ich bei Spekulationen keine Option komplett ausschließe.

Unsere 10DM-Scheine in seiner linken Brusttasche verstauend begann der Asiate, seinen Kurs vorzustellen.

“Kids, heute erhaltet ihr eine Lektion fürs Leben.”

Noch während er diese Worte aussprach, landete er den ersten Punch in mein Gesicht. Bob und Zeus-Elysander waren davon völlig überrascht, aber schnell landeten die ersten Bomben auch in ihren Gesichtern. Der Asiate ging schnell dazu über, jedem von uns, einem nach dem anderen, Bomben zu geben, jede aufgrund der vorherigen fataler.

Der Asiate schien es zu genießen, uns zu verprügeln, während im Hintergrund Run und D.M.C. erklärten, was sie mit Sucker MCs anstellen. Offensichtlich waren wir Sucker MCs und trauriggesichtige Clowns, die verdient hatten, was sie bekamen. Irgendwann holte er auch noch seinen Gürtel raus und schlug weiter auf uns ein, Zeus-Elysander verlor dabei sein rechtes Auge, aber nicht einmal das ließ ihn innehalten.

Als er dann an sein Pistolenholster griff, um die Waffe zu ziehen, führte ich, mittlerweile am Boden, einen Fußfeger durch, der ihn sofort von den Beinen holte. Auf dem Boden liegend nutzte ich meine Chance, sprang auf und mit beiden Füßen voran in sein Gesicht. Er war vermutlich sofort tot, um sicherzugehen, sprangen Bob und ich noch weiter ein wenig auf seinem Gesicht rum, Zeus-Elysander krabbelte währenddessen durch den Keller und suchte sein Auge. Nachdem wir uns beruhigt hatten und nicht mehr genau auseinanderhalten konnten, wo sein Kopf aufhörte und wo der Teppich begann, konnten wir mit Sicherheit sagen, dass er tot war. Und die Abendschule geschlossen.

Von Silvester Klement