eine lange, lange heimreise

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50km bis berlin. sascha lässt die wodkaflasche rotieren. leider ist sie dabei offen, er kriegt spritzer ins auge, verliert die kontrolle, wir überschlagen uns, sterben.
scheinbar einen augenblick später merke ich, dass ich immer noch bei bewusstsein bin und blicke mich um, sehe die leichen der anderen. ich steige aus und stelle fest, dass mein körper im auto bleibt, der rest wirkt irgendwie normal. gut, da liegt ein auto auf dem dach und überall ist blut und ich glaube, saschas arm in dem einen busch da hinten hängen zu sehen, aber abgesehen davon wirkt der rest irgendwie normal. hm. ich scheine ein geist zu sein. dieses atheismuszeug war vielleicht doch die falsche wahl. ich kann gerade noch sehen, wie die anderen in weiße gewänder gehüllt in richtung himmel fliegen. oh, und florian nach unten gesogen wird. war halt homosexuell. doch abgesehen davon scheint meine umwelt irgendwie normal weiterzumachen. ich sehe 1, 2 autos anhalten und leute zur unfallstelle laufen. haha, der eine typ versucht lebenserhaltende sofortlebenserhaltungsmaßnahmen zur lebenserhaltung. was für ein trottel. ich gehe zu seinem auto und will mich hineinsetzen, bemerke, dass ich zwar ein geist bin, aber deshalb nicht durch wände gehen kann. sofort verkürzt sich meine todo-liste um ein paar frauennamen. dennoch beschließe ich, nach berlin zu reisen. hier in brandenburg ist einfach tote hose. dramatische pause, um den wortwitz auszukosten. hier gibt es nichts zu sehen, bitte gehen sie weiter. tote hose.

bei “tote hose” kommt mir eine idee. ich laufe auf die straße, lasse mich von einem laster frontal erfassen und sterbe erneut. ich erwache in einem gebüsch, will aufstehen, rutsche aus, falle die böschung herunter, breche mir das genick, sterbe. erneut. ich erwache im graben, mittlerweile ist es dunkel, versuche, den steilen erdwall hochzuklettern, doch rutsche immer wieder ab. verzweifelt schlage ich immer wieder auf die kalte und harte erde ein, bis meine fäuste blutig sind. ich sterbe erneut, diesmal an einer blutvergiftung. der bisher unangenehmste, weil langwierigste tod, in dessen verlauf ich mein ganzes vorheriges leben – also den erfolglosen versuch, aus dem graben zu klettern und das einschlagen auf die erde – vor meinen augen an mir vorüberziehen sehe. als ich erwache, liegen da zwei tote geister neben mir und mir fällt etwas ein – mit den füßen in ihren jeweiligen ärschen benutze ich sie als schuhe, die leichenstarre hat zur bildung natürlicher “spikes” geführt und es funktioniert auch, ich schaffe es schließlich, den erdwall zu erklimmen und finde mich wieder auf einer landstraße, kann mehrere hundert meter entfernt ein abschleppfahrzeug erkennen, dass saschas auto verlädt. für einen augenblick überlege ich, per anhalter weiterzufahren, dann fällt mir wieder ein, dass ich ja ein geist bin. ich beschließe, die eine landstraße bis zur nächsten kreuzung zu laufen und da auf irgendein auto zu springen wie ein actionheld. die straße entlanglaufend fällt mir auf, dass das eine dieser brandenburger todesalleen ist, bei der vor jedem baum ein kreuz und ein “wir werden kevin nie vergessen” steht. ich lache kurz über diese brandenburger und werde dann auch schon von einem von ihnen erfasst und am nächsten baum zerquetscht. ich erwache, höre eine leiernd wiedergegebene “dreamdance”-cd, gehe zurück auf die straße und werde sofort vom nächsten kevin erfasst. so geht das baum für baum bis zum ende der allee weiter, zwischendurch, genauer gesagt bei baum 3, 10 und 17 ist auf einmal alles voller zombiekatzen die sich an meinem gehirn reiben wollen, aber nach dem 22ten baum erreiche ich schließlich die kreuzung. auf der gegenspur kommen mir lauter abschlepp- und rettungswagen entgegen, in richtung berlin ist aber nix los, ich spiele das wartespiel und tatsächlich – irgendwann hält einer von diesen abschleppwagen auf dem rückweg nach berlin an der kreuzung. ich klettere während der rotphase in den zusammen- und tiefergelegten polo auf seinem anhänger. aus langeweile krame ich während der fahrt im auto rum und entdecke unter dem sitz eine mcdonalds-tüte, sogar noch mit dem alten logo. ich greife hinein und ziehe einen fellburger heraus. angewidert betrachte ich ihn. ich realisiere, warum ich früher so wenig sex hatte, aus der nähe ist pelzig-verschimmeltes fell tatsächlich nicht sonderlich anziehend. aber toter als tot kann man nicht sein, denke ich mir, und beiße zu. irrtum.

Von Silvester Klement